"Ich will nicht verstecken, wer ich bin"

Wien, Advent, ein Benefizkonzert: die Initiative von Menschen, die von ihm berührt und geliebt sind

Kurz vor Weihnachten organisierten wir mit unserer Gemeinschaft in Wien ein Benefizkonzert, um ein Waisenhaus in Bethlehem zu unterstützen, das von den Franziskanern der Kustodie des Heiligen Landes geführt wird. Es handelte sich um eine gemeinschaftliche Initiative, an der sich Menschen der Bewegung, Universitätsstudenten, eine Gruppe französischer Freunde, eine Musikschule sowie die Bewohner des Viertels der Pfarre Rossau beteiligten.
Wir beschlossen, das Konzert auf dem Pfarrplatz zu organisieren, um eine möglichst „offene“ Veranstaltung zu schaffen, in der man mit den Menschen in Kontakt kommt, die durch das Viertel gehen. Es handelte sich um eine Initiative, die „einfach, wahr, schön und mit Sorgfalt“ gestaltet wurde und die es uns schlussendlich ermöglichte, im kalten Dezember einen Ort wieder zu entdecken: ein Ort von Menschen, die von Ihm berührt und geliebt sind.
Unser Wunsch war es, mit der Welt das Schöne und Wahre zu teilen, das wir durch die Zugehörigkeit zur Bewegung entdecken und erfahren dürfen: eine Gruppe von Freunden, die leidenschaftlich gerne singt, ein Chor, der erst vor etwas mehr als einem Jahr gegründet wurde sowie der Vorschlag, den Franziskanern im Heiligen Land zu helfen (in jener kleinen Ecke der Welt, die Jesus vor 2000 Jahren auserwählte, um sich zu offenbaren und die heute unter dem Krieg leidet, sind sie heute ein Hoffnungsschimmer). All das war der nötige Antrieb, um uns in Bewegung zu setzen.

Benedetta, Mutter und Gründerin einer Musikschule für Kinder erzählt: „Ich will nicht verstecken, wer ich bin. Ich will auf die Plätze gehen und durch den Gesang zeigen, Wen ich getroffen habe. Ich will, dass meine Kunden diesen (wesentlichen) Teil von mir sehen. Deshalb habe ich das Konzert mit meiner Musikschule gesponsert und alle Familien, mit denen ich arbeite, eingeladen. Während ich Chi ha mangiato il becco dell’anatra [‚Wer hat dem Entlein den Schnabel abgebissen‘] sang, sagte ich allen: ‚Ja, das bin ich: Ich, die ich von Ihm gemacht werde’.“

Manchmal kommt es vor, dass wir jede (weitere) Anstrengung meiden wollen oder doch nicht ganz von etwas überzeugt sind. Wenn wir aber einen Vorschlag von jemandem erhalten, den wir schätzen, bringt uns dieser Vorschlag zumindest zum Nachdenken und fordert uns heraus. Genau dies passierte Andrea, der seine anfängliche Zurückhaltung folgendermaßen beschreibt: „So sehr ich es schätzte, dass sich Freunde aus der Gemeinschaft für die Organisation eines Benefizkonzertes engagierten, hatte ich nicht viel Lust, mich einzubringen – schon allein deswegen, weil mich die Vorstellung, einen Nachmittag in der Kälte zu verbringen, nicht gerade begeisterte! Überzeugt hat mich letztlich nur die direkte und fast verzweifelte Bitte einer Freundin, die mich bat, mich um die Technik zu kümmern. Ich wollte diese Initiative, deren Wert ich durchaus erkannte, unterstützen. Auch fühlte ich mich fast geschmeichelt, dass ich für das Gelingen des Konzerts offensichtlich als unentbehrlich galt. Die Schmeichelei hielt allerdings nicht lange an, sie wich schnell der Frustration, als ich versuchte zu verstehen, wie die Mikrofone und das Mischpult funktionierten. Zum Glück schaffte ich es am Ende mit der Hilfe eines Freundes, den Sängern und Musikern eine einigermaßen brauchbare Technik anzubieten. Ich fühlte mich wirklich unbeholfen und unfähig in allem, was ich tat, aber gleichzeitig war ich erstaunt über die Freude der Konzertteilnehmer – sowohl der Sänger als auch des Publikums. Es war offensichtlich etwas, das meine Fähigkeiten überstieg, das aber auch aus dem Nichts entstand, das ich zur Verfügung gestellt hatte – ein Nichts, das vielleicht im Warmen, allerdings ungenutzt geblieben wäre, wenn es nicht durch eine Einladung herausgefordert worden wäre.“

Auch Louise, eine französische Studentin, die dieses Jahr während ihres Erasmus-Aufenthalts in Wien die CLU-Gemeinschaft kennenlernte, ließ sich in die Organisation des Konzertes einbeziehen. Louise entschied sich, eine Gruppe französischer Freunde einzuladen, die in einem Chor singen.
„Dieses Weihnachtskonzert ermöglichte es uns, einen festlichen Nachmittag in der berühmten ‚Stadt der Musik‘ Wien zu verbringen. Für die meisten von uns, die kein Deutsch sprechen, schaffte die Musik eine tiefe Verbundenheit mit dem österreichischen Publikum: Wir waren glücklich, ‚Douce Nuit‘ zu singen und die anderen freuten sich, zur Melodie von ‚Les Champs-Élysées‘ zu tanzen. Trotz der Dezemberkälte wurde der Platz vor der Kirche von der fröhlichen Atmosphäre erwärmt.“

Das Konzert war gut besucht. Es kamen Menschen, die eingeladen waren oder Passanten, die sich von der Musik, dem Knistern des Feuers, dem Glühwein- und dem Kuchenduft faszinieren ließen. Es konnte eine beachtliche Spende gesammelt werden. Für manche bat aber das Konzert auch die Möglichkeit eines Neuanfangs, wie bei Sofia:
„Aufgrund einer schwierigen und komplizierten Geschichte hatte ich vor einigen Monaten beschlossen, die Bewegung zu verlassen. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie ein Ort für mich sei. In der Zwischenzeit begannen Freunde, das Benefizkonzert zu organisieren. Eine von ihnen fragte meinen Freund, der nicht in der Bewegung ist, ob er singen und Gitarre spielen wolle... er sagte freudig zu.
Es war eine einfache, wahre, schöne und „gepflegte“ Initiative. Er wurde willkommen geheißen, er sang und war glücklich.
Am Abend las er auf dem Heimweg Calvinos Satz auf dem Weihnachtsposter, schaute mich an und sagte: ‚Das, was heute passiert ist, ist etwas, das nicht Hölle ist. Ich möchte solchen Momenten Raum geben.‘ Dann fragte er mich: ‚Aber warum haben mich diese Leute, die mich nicht kennen, lieb? Warum sehen sie mich so an?‘
Ich konnte es nicht glauben. Ich blieb ohne Worte, weil die Wirklichkeit immer, immer größer ist als wir. Ich fand mich Gott gegenüber dankbar für seine Gegenwart und auch dankbar für die Gegenwart der Bewegung, die sich nach all den Schwierigkeiten doch wieder als ein Ort von Menschen offenbarte, die von ihm berührt und geliebt werden und zwar dahingehend, dass ein Fremder als Bruder aufgenommen wird . Durch das Staunen meines Freundes begann ich wieder zu staunen und diesen Ort wieder zu lieben.“