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Die schlechteste Mannschaft aller Zeiten

Bei einem Sportfest entdeckt eine Lehrerin die Unbezwingbarkeit des Herzens, eine neue Perspektive auf die Arbeit und die Ironie Gottes. Eine Erzählung aus Wien.

Ich bin Lateinlehrerin an einer berühmt-berüchtigten Schule. Bei uns versucht man, der schwierigen Lage vieler Schüler entgegen zu kommen, indem man die Erwartungen systematisch nach unten schraubt und ihnen so wenig Inhalte wie möglich anbietet. Kein Wunder, dass ich mit meinem Fach Misserfolge sammle und Probleme mit der Disziplin habe. Oft frage ich mich, ob ich dort nutzlos bin und woanders, vielleicht sogar in einem anderen Beruf, Besseres leisten könnte.

Vor wenigen Tagen fand das Sportfest statt, d. h. die ganze Schule traf sich bei einem schönen Sportplatz in der Stadt, um verschiedene Turniere und Wettläufe zu veranstalten. Schon in der Früh machte sich die bei uns übliche Stimmung bemerkbar: Viele Schüler, sogar ganze Mannschaften erschienen einfach nicht, Spiele mussten abgesagt oder umorganisiert werden, während die meisten Lehrer sich nur ein Plätzchen im Schatten suchten, um das Ganze halbherzig von der Ferne zu verfolgen. Ich bekam von den Sportkollegen keinen besonderen Auftrag, also meine Gegenwart war völlig überflüssig. Jedoch konnte ich damit nicht leben, dass mein Vormittag einfach weggeschmissen sein sollte. So begann ich zwischen den Spielfeldern herumzuwandern und nach einer Möglichkeit zu suchen, entweder nützlich zu sein oder selber Spaß zu haben, idealerweise auch beide Dinge.
Mit großer Verwunderung musste ich feststellen, dass das Niveau der Spiele extrem niedrig war; die meisten Kinder hatten überhaupt keine Ahnung, wie sie die Hände beim Volleyball und die Füße beim Fußball halten sollten, geschweige denn von Mannschaftsspiel oder Strategie. Als ich so unauffällig nachfragte, entdeckte ich, dass weder die Technik noch die Spielregeln im Unterricht mehr erklärt werden, sondern man lässt lieber die Schüler „spontan ausprobieren“. Die Sache erschütterte mich vor allem, weil die Auswirkungen auf die Jugendlichen offenbar waren: Sie hatten keinen Spaß, weil das Spiel nie richtig losging, fühlten sich unfähig und verloren die Motivation. Viele waren nach einer Stunde von der eigenen Mannschaft weggegangen und suchten überall nach anderen Beschäftigungen.
Es war für mich ein perfektes Sinnbild der Erziehungsnot, die wir täglich erleben.

Dann fiel mir was ein. Mit viel Bauchweh, weil ich unsportlich bin und mich deswegen immer „uncool“ gefühlt habe, ging ich zur Volleyballgruppe meiner Lieblingsklasse und bat um Aufnahme in die Mannschaft. Überraschenderweise hatten sie nichts dagegen. Dann schlug ich vor, im Kreis am Feldrand zu trainieren, und begann ohne große Worte einfach vorzuzeigen, wie man tendenziell mit dem Ball umgeht (mit meiner sehr fragwürdigen Technik!), und vor allem, dass man zusammen und nicht gegen einander spielen soll. Es war unglaublich: Wenn ich ihnen persönlich den Ball zuspielte, oder ein Lob für einen guten Schuss sprach, änderten sich ihre Gesichter! Als wir das erste Spiel katastrophal 20-5 verloren, sagte ich: „Leute, jetzt haben wir ein Ziel: Die nächsten Gegner sind zu stark, wir können unmöglich gewinnen, aber wir wollen mit Würde verlieren!“. Sie lachten und trainierten mit richtiger Energie weiter. Tatsächlich verloren wir das zweite Mal 20-14 nach einem dreimal so langen, heftig umkämpften Spiel. Die Schüler schmunzelten, gratulierten einander, eine bedankte sich: „Professor, wenn Sie nicht dazu gekommen wären, hätten wir aufgehört, jetzt indes hatten wir Spaß“.

Ich ging glücklich und sehr nachdenklich nach Hause. Ich staunte über unser Herz – mein Herz, das bei jeder Sinnlosigkeit rebelliert und sich nach mehr sehnt, und das Herz der Jugendlichen, das trotz allen Verkrustungen und Enttäuschungen immer noch schlägt, sagt man ihnen nur: „Es gibt ein Ziel, es gibt einen Weg, gehen wir gemeinsam hin!“. Ich war dankbar für die Erziehung, die ich als Mädchen bekommen habe – als man mir Spiele, Gemeinschaft und das große Versprechen des Lebens entdecken ließ – und immer noch bekomme. Aber vor allem war ich dankbar und staunte über den Humor Gottes, der auf all meine Vorstellungen von Erfolg im Beruf und Einsatz meiner Talente pfeift und das von mir nutzt, was ich am wenigsten kann, um mir und anderen Menschen Schönheit zu schenken.