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"Ich bin bereit, sende mich!"

Ein Lernwochenende, in dem "kein Detail Zufall war", und die Frage um die eigene Berufung: "Wie verwende ich meine Intelligenz im Dienste Gottes?". Ein Bericht aus Wien.

Am Wochenende vom 13.-15. Jänner 2023 kamen etwa zwanzig der Studenten der Wiener Gemeinschaft im Franziskanerkloster in Maria Enzersdorf zusammen, um für die Prüfungen des Wintersemesters zu lernen. Pater Christoph Matyssek und Diakon Giorgio Ghigo von der Bruderschaft des Hl. Karl Borromäus schlugen das Thema der Berufung als roten Faden für diese Tage vor. Durch das Lesen passender Texte, wie z. B Schriften von Don M. Camisasca oder Don L. Giussani und den Brief eines Ehepaares aus dem Jahr 2012, konnte jeder darüber meditieren, was Berufung bedeutet und welche Folgen es hat, wenn man diesem Ruf Gottes antwortet.

»Ich habe dich schon gekannt, ehe ich dich im Mutterleib bildete, und ehe du geboren wurdest, habe ich dich erwählt, um mir allein zu dienen. Du sollst ein Prophet sein, der den Völkern meine Botschaften verkündet.« (Jeremia 1, 5). Diese Stelle, die wir am ersten Tag gelesen haben, beeindruckte mich. Sie führte mich sofort zum Kern der Sache: Ich werde beim Namen gerufen, also muss ich antworten. Ein bisschen wie Jesaja schreibt: Danach hörte ich den Herrn fragen: »Wen soll ich zu meinem Volk senden? Wer will unser Bote sein?« Ich antwortete: »Ich bin bereit, sende mich!« (Jesaja 6, 8). “Ich bin bereit“ zu antworten bedeutete für mich konkret, dass ich den Vorschlag annehme, zusammen zu lernen, obwohl ich eigentlich mit den Prüfungen fertig bin und die Diplomarbeit schreiben muss.

Wie es mir schon oft in diesen Jahren geschah, wurden mir neue Personen geschenkt. Sobald ich ankam, lernte ich neue Studenten kennen, die sogar aus Udine und Mailand gekommen waren. Was konnte sie dazu bewegen, fünf Stunden mit dem Auto durchzufahren, nur um mit uns zu sein? In erster Linie eine Freundschaft. Zuerst mit einigen von uns, dann - wie ein Wasserfall – breitete sich die Sache während des Zusammenlebens auf uns alle aus. Der Blick jedes einzelnen beeindruckte mich: voll Mühsal aber auch voll brennender Sehnsucht die Antworten zu suchen, die jeder anstrebt, oder die Fragen zu nähren, die jeder in sich trägt.

Drei Momente waren für alle von besonderer Bedeutung. Zuerst die Erklärung des Sinnes dieser Tage, den P. Christoph hervorhob. Er sagte sinngemäß: “Ich hoffe, ihr empfindet die Zeit, die wir dem Lernen wegnehmen (duch die Lieder, die Spiele, das Zusammenkochen, die Messen), nicht als Entbehrung, sondern als Wert, der auch die Lernstunden mit Sinn erfüllt”. Genau das habe ich in diesen Tagen empfunden. Kein Detail war Zufall, sondern Teil einer gemeinsamen Antwort zur Frage “Warum bist du da?”, die Christus jedem von uns stellt. Sogar in den Spielen oder beim Frühstück.

Der zweite Moment war Giorgios Homilie bei einer Messe. “Wir sehen Jesus vorbeigehen und den Matthäus rufen. Wer weiß, wie lange er schon auf Ihn gewartet hatte? Jeder von uns wartet auf eine Erwählung. Freunde, diese Erwählung gibt es schon! Dass wir berufen wurden, ist nicht vielleicht Zeichen einer Vorliebe? Ich erinnere mich an die Namen der Menschen, für die ich eine Vorliebe habe. Auch Gott ruft uns beim Namen, weil er für uns eine Vorliebe hat”.

Als Letztes wurden wir alle von der Freiheit sehr beeindruckt, mit der viele bei der Versammlung sagten, was sie denken. “Besser beginne ich Christus zu folgen, als alleine die Streberin zu spielen. Wozu und wie verwende ich meine Intelligenz im Dienste Gottes?” fragte eine junge Frau. Oder noch: “Beim Lesen einer Schrift von Giussani (Studentenversammlung in Bologna, Oktober 1971) bin ich auf den Satz gestoßen: “Für die Auswahl der Berufung kann es nur ein Kriterium geben: Wie ich mit allem, was ich geistlich und geistig bin, (…) dem Reich Gottes mehr dienen kann”; und ich habe wahrgenommen, dass ich oft nicht so denke. Wie kann ich also alles leben, ohne diese Perspektive zu verlieren?” sagte ein Freund.

Wie schön ist es, Leute in meinem Alter zu sehen, die mit solchen Fragen im Herzen leben! Wir verabschiedeten uns im Bewusstsein, dass wir uns nicht so bald wiedersehen werden; und trotzdem waren wir dankbar für die gegenseitige Hilfe, in diesen Tagen den Ruf neu zu entdecken, dem jeder von uns antworten kann und muss, um das “Hunderfache” des Evangeliums zu genießen: sogar im Alltag und vielleicht in der Einfachkeit des Lernens. Nicht in der Zukunft, sondern heute.