Papst Franziskus: "Ein Sohn wurde uns geschenkt"

Die Homilie der Christmette im Petersdom: "Der Vater hat uns nicht irgendetwas gegeben, sondern seinen eigenen einzigen Sohn, der seine ganze Freude ist".

In dieser Nacht erfüllt sich die große Prophezeiung des Jesaja: »Ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt« (Jes 9,5).

Ein Sohn wurde uns geschenkt. Oft hört man, dass die größte Freude im Leben die Geburt eines Kindes ist. Das ist etwas Außergewöhnliches, das alles verändert, unvorstellbare Energien freisetzt und uns Mühen, Unannehmlichkeiten und schlaflose Nächte überstehen lässt, weil es ein großes Glück mit sich bringt, welches, wie es scheint, alles leichter werden lässt. So ist es auch mit Weihnachten: Die Geburt Jesu ist die Neuheit, die es uns Jahr für Jahr ermöglicht, innerlich neu geboren zu werden und in ihm die Kraft zu finden, jede Prüfung zu bestehen. Ja, denn er ist für uns geboren: für mich, für dich, für uns alle, für jeden einzelnen. Dieses Für uns ist das Wort, das in dieser Heiligen Nacht immer wiederkehrt: »Ein Kind wurde [für] uns geboren«, prophezeite Jesaja; »Heute ist [für] uns der Heiland geboren«, heißt es im Antwortpsalm; Jesus »hat sich für uns hingegeben« (Tit 2,14), verkündete der heilige Paulus; und der Engel im Evangelium verkündete: »Heute ist [für] euch […] der Retter geboren« (Lk 2,11). Für mich, für euch.

Aber was will uns dieses Für uns sagen? Dass der Sohn Gottes, der der Gesegnete schlechthin ist, kommt, um uns aus Gnade zu gesegneten Söhnen und Töchtern zu machen. Ja, Gott kommt als Sohn in die Welt, um uns zu Kindern Gottes zu machen. Was für ein wunderbares Geschenk! Heute staunt Gott über uns und sagt zu einem jedem von uns: „Du bist ein Wunder.“ Schwester, Bruder, verliere nicht den Mut. Bist du in der Versuchung zu glauben, du seist verfehlt? Gott sagt zu dir: „Nein, du bist mein Kind!“ Hast du das Gefühl, es einfach nicht zu schaffen, die Angst, unzulänglich zu sein, befürchtest du, aus dem Tunnel der Prüfung nicht mehr herauszukommen? Gott sagt zu dir: „Hab Mut, ich bin mit dir.“ Das sagt er dir nicht mit Worten, sondern dadurch, dass er zu einem Kind wurde, wie du eines bist. Und dies hat er für dich getan, um dich an den Ausgangspunkt deines Neu-Geborenwerdens zu erinnern: dass du dir bewusstwirst, ein Sohn Gottes, eine Tochter Gottes zu sein. Das ist der Ausgangspunkt allen Neu-Geborenwerdens. Das ist das unzerstörbare Innerste unserer Hoffnung, der glühende Kern, der das Leben aufrechterhält: Tiefer als unsere Begabungen und unsere Mängel und stärker als die Wunden und Misserfolge der Vergangenheit, stärker als die Ängste und Sorgen um die Zukunft, ist diese Wahrheit: Wir sind geliebte Kinder. Und Gottes Liebe zu uns hängt nicht von uns ab und wird nie von uns abhängen: es ist eine unentgeltliche Liebe. Diese Nacht lässt sich durch nichts anderes erklären – allein durch Gnade. Alles ist Gnade. Dieses Geschenk ist unentgeltlich, keiner von uns hat es verdient, es ist reine Gnade. Heute Nacht, so sagt uns der heilige Paulus, ist »die Gnade Gottes […] erschienen« (Tit 2, 11). Nichts ist wertvoller.

Ein Sohn wurde uns geschenkt. Der Vater hat uns nicht irgendetwas gegeben, sondern seinen eigenen einzigen Sohn, der seine ganze Freude ist. Und doch, wenn wir die Undankbarkeit des Menschen gegenüber Gott und die Ungerechtigkeit gegenüber so vielen unserer Brüder und Schwestern betrachten, kommt ein Zweifel auf: War es richtig, dass der Herr uns so viel gegeben hat, ist es recht, dass er immer noch Vertrauen zu uns hat? Überschätzt er uns nicht? Ja, er überschätzt uns, und er tut dies, weil er uns aufs Äußerste liebt. Er kann nicht anders, als uns zu lieben. So ist er nun mal – so anders als wir. Er liebt uns immer, mehr als wir uns selbst lieben können. Das ist sein Geheimnis, um in unsere Herzen einzutreten. Gott weiß, dass der einzige Weg, uns zu retten, uns innerlich zu heilen, darin besteht, uns zu lieben. Es gibt keinen anderen Weg. Er weiß, dass wir nur besser werden, wenn wir seine unermüdliche Liebe annehmen, die sich niemals ändert, die aber uns verändert. Nur die Liebe Jesu verwandelt das Leben, heilt die tiefsten Wunden und befreit uns aus den Teufelskreisen von Unzufriedenheit, Ärger und Klagen. (...)

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