Mit einem neuen Blick die Welt anschauen

Was ist wirklich das Fundament, um einen „nichtpolitischen“ Brief an die verantwortlichen Politiker von Europa zu schreiben? Inwiefern hilft das Seminar der Gemeinschaft die Realität anzuschauen?

Seit Beginn der Quarantäne habe ich täglich mehrere Artikel in italienischen Zeitungen gelesen, in denen insbesondere Deutschland und Österreich als egozentrische Länder beschrieben wurden, Länder, die nur ihren wirtschaftlichen Interessen verpflichtet sind, zum Nachteil anderer Nationen, wie Italien. Diese Worte tun mir weh, denn für mich gibt es kein "Deutschland"; für mich gibt es meinen Mann (er ist Deutscher), seine Eltern, seine Geschwistern und die Freunde. Genauso hat "Österreich" für mich Gesichter und Stimmen.

Ich begann darüber nachzudenken, zu erzählen, was jeden Tag bei uns zu Hause passiert: Wir sind eine "europäisch-gemischte Familie", in der zwei Menschen aus verschiedenen Ländern jeden Tag zusammenarbeiten - manchmal aneinander geraten -, aber um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Und wir sind nicht die Einzigen: Meine Schwester hat vor kurzem einen Franzosen geheiratet; viele unserer engsten Freunde hier, haben "europäisch-gemischte Familie".
Angespornt durch Marco, einen Freund, begann ich, einen Brief zu schreiben, der später an Staats- und Regierungschefs und Zeitungen von fünfzehn verschiedenen europäischen Nationen geschickt wurde. Wir ließen ihn unter Freunden zirkulieren und sammelten Unterschriften von siebenundzwanzig "europäisch-gemischten Familien" und etwa zwanzig weiteren Personen, die unsere Position teilen. Ohne Politik oder Rhetorik zu machen, sondern einfach mit Blick auf unsere tägliche Erfahrung ist ein solidarischeres und geeinteres Europa, an das uns auch der Papst kürzlich erinnert hat, nur möglich, wenn wir den anderen als Geschenk, als "mehr" anerkennen.

Ich habe den Brief geschrieben, ohne viel darüber nachzudenken. In den folgenden Tagen verstand ich dann beim Lesen des Seminartextes von CL besser, was geschehen war.
„Sie (diese neue Mentalität, dieser Blick) geht nicht von mir aus, sondern von dem, dem ich begegnet bin. Es ist nicht etwas, das ich anwende, sondern ich gehorche dem, dem ich begegnet bin.“ (L. Giussani, S.Alberto, J. Prades, Spuren christlicher Erfahrung in der Geschichte, Eos, 2019, S. 88). Dieser Blick auf die heutige europäische Situation, ein Blick, der nichts verurteilen oder anklagen will, kommt nicht von mir selbst, sondern ist durch eine Nachfolge entstanden, mit ihren Höhen und Tiefen. Es war mir möglich, diese Worte zu schreiben, denn obwohl ich manchmal zweifelte, manchmal nicht verstand und manchmal einfach nur wütend wurde, gehorchte ich weiter, folgte dem Jesus, den ich vor Jahren durch Menschen der Bewegung von CL kennengelernt hatte. Es ist derselbe Jesus, der trotz meiner Inkohärenz immer wieder und wieder vor mir erschienen ist und dies auch weiterhin tut.

Es war mir möglich, weil Julian Carrón als erster diesen neuen Blick zeigte, indem er aktuelle Ereignisse in wichtigen italienischen Zeitungen beurteilte.
Diese neue Mentalität ist nicht aus eigener Kraft entstanden. Ich habe sie unbewusst in mir vorgefunden, sie ist wie durch eine Osmose in mir entstanden.

Benedetta, Wien

→ Um den vollständigen Brief an die Vertreter der EU-Länder zu lesen, siehe die pdf Datei unten.